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Ein Bericht von den Bündnis 90 / Die Grünen

Ein Bericht von einer Reise durch ein Land im Ausnahmezustand
Konsequenzen für eine Baden-Württembergische Flüchtlings- und Abschiebepolitik
Vorschläge für eine Ökologisch-Ökonomische Entwicklungspartnerschaft

 

WINNE HERMANN, LANDESVORSITZENDER VON BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BADEN-WÜRTTEMBERG
DIETRICH WILLIER, FREIER JOURNALIST


KOSOVA -
"PULVERFAß" ODER MODELL EINER ZIVILEN UNABHÄNGIGKEITSBEWEGUNG?


BERICHT VON EINER REISE DURCH EIN LAND IM AUSNAHMEZUSTAND
KONSEQUENZEN FÜR EINE BADEN-WÜRTTEMBERGISCHE FLÜCHTLINGS- UND ABSCHIEBEPOLITIK
VORSCHLÄGE FÜR EINE ÖKOLOGISCH-ÖKONOMISCHE ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT

AN DIESEM BERICHT HABEN AUCH DIE ANDEREN MITGLIEDER DER REISEGRUPPE MITGEWIRKT:
ULRICH FRÖHNER, ENERGIEBERATER AUS STUTTGART
BERNHARD SCHÖNAUER, AGRAREXPERTE AUS PFORZHEIM
WOLFGANG ROSENOW, UMWELTGEOLOGE AUS FREIBURG
OUTI ARAJÄRVI, VERTRETERIN DER BUNTSTIFT-STIFTUNG AUS GÖTTINGEN


REISEBERICHT (ÜBERARBEITETE FASSUNG) MIT ANHANG ZU DEN THEMEN:
ENERGIEWIRTSCHAFT, LANDWIRTSCHAFT, ABFALLWIRTSCHAFT UND FRAUENPOLITIK


STUTTGART, DEN 19. DEZEMBER 1996

 


 

1. EINFÜHRUNG UND ZUSAMMENFASSUNG

 

Zum politischen Hintergrund

"Kosova - das Pulverfaß des Balkans" so lautet seit sieben Jahren fast jeder Reportage-Titel über die zu 90 % von Albanern bewohnte ex-jugoslawische Provinz zwischen Serbien, Montenegro, Albanien und Mazedonien. Als der serbische Präsident Slobodan Milosevic im Sommer 1989 - nach Massendemonstrationen in Belgrad und Prishtina - fast eine Million serbischer Nationalisten auf dem geschichtsträchtigen Amselfeld bei Prishtina zum Gedenken an die 600 Jahre zuvor verlorene Schlacht gegen die Türken versammelte, schien ein Krieg in der albanischen Provinz unvermeidlich geworden zu sein. Kritik an Milosevics militanter Apartheidspolitik gab es damals in keiner der slawischen Republiken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina oder Montenegro. Im Gegenteil, vielleicht hoffte man, so den großserbischen Gelüsten im zerfallenden Jugoslawien zu entgehen.
Die Spekulation ging nicht auf. Die seit Jahrzehnten verhaßten, gedemütigten und entrechteten "Skipetaren" mit ihrer anderen, fremden Sprache, verweigerten einseitig die militärische Eskalation. Vom Ausland fast unbemerkt hatte sich dort um den Literaturwissenschaftler Ibrahim Rugova eine Gruppe einflußreicher Intellektueller gebildet. Ihr politisches Credo gilt den Albanern bis heute: Gewaltloser Widerstand bis zur Unabhängigkeit. Der jugoslawische Bruderkrieg begann ein Jahr später in Slowenien und Kroatien.
Seit der einseitigen Aufhebung des Autonomiestatus von Kosova durch Milosevic sind sieben Jahre vergangen. Das "Pulverfaß" ist trotz zahlreicher serbischer Lunten nicht explodiert. Menschliche Diskriminierung, politische Repression und Entrechtung und die zunehmende ökonomische Ausplünderung des Landes sind geblieben. Albanische Arbeitnehmer in der öffentlichen Verwaltung und den Staatsbetrieben wurden ebenso entlassen, wie das albanische Personal im Gesundheitswesen. Albanische Literatur, wissenschaftliche Bücher und Lehrmittel an Schulen und der Universität Prishtina wurden vernichtet. Albanische Schüler und Studenten bleiben von öffentlichen Schulen und der Universität ausgeschlossen. Willkürliche Razzien, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Folter und unaufgeklärte Morde gehören zum Alltag in Kosova. Albanische Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen sind verboten.
Die albanische Antwort war die Errichtung von Parallelstrukturen und Institutionen im Bildungs- und Gesundheitswesen, in Ökonomie, Verwaltung und bei internationalen Kontakten. Als politisches Ziel wurde in einem Referendum vor sechs Jahren die neutrale Unabhängigkeit Kosovas proklamiert. Bei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wurden 1992 die Demokratische Liga für Kosova (LDK) mit 76 % als Mehrheitspartei und ihr Vorsitzender Dr. Ibrahim Rugova als Präsident gewählt.

 

Konzeption und Ziele der Reise

Der Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Winne Hermann, der Energieberater Ulrich Fröhner, Wolfgang Rosenow als Wasser- und Abfallexperte, Bernhard Schönauer als Agrarökonom, die Projektkoordinatorin für Mittel- und Osteuropa des BUNTSTIFT, Outi Arajärvi und Dietrich Willier als Journalist haben vom 31. August bis 7. September dieses Jahres, auf Einladung der Demokratischen Liga, Kosova besucht. Ziel der Reise, die vom Außenministerium begrüßt wurde, war neben der konkreten Information über die aktuelle politische Lage, der vor-Ort-Einschätzung eventuell drohender Gewalteskalation und neuer Kriegsgefahr, die Auslotung möglicher ökonomisch/ökologischer Pilotprojekte im Rahmen der gewaltfreien kosova-albanischen Politik. Weitere wichtige Gesprächsinhalte waren die Frage der Flüchtlingsrückkehr und politische oder humanitäre Maßnahmen zur Konfliktprävention.
Gesprächspartner/innen waren u.a. Präsident Ibrahim Rugova und führende Politiker der LDK, Vertreter anderer Parteien, Kommunalpolitiker, Bildungsexperten, Wissenschaftler, Vertreter der Medien und zahlreiche Bürger und Bürgerinnen.
Im Sinne einer präventiven Friedenspolitik sollten Möglichkeiten der Unterstützung und des Austausches eruiert werden. Gewaltfreier Widerstand mit der Perspektive einer albanischen Autonomie geht nach unserer Ansicht einher mit einer neuen Politik des ökologischen Wirtschaftens in der Landwirtschaft, der Energie- und der Abfallwirtschaft. Trotz guter Bildung und Ausbildung sind viele, vor allem jüngere Menschen, arbeitslos. Sie sind offen für neue Entwicklungskonzepte. Das Konzept einer eigenständigen Entwicklung bietet angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Lage eine große Chance für einen Neubeginn im Land. Ziel der Reise war es deshalb, mit Experten die Ansatzpunkte für künftige Kooperationen und Projekte, die den Weg zur Einführung einer neuen Wirtschaftspolitik ebnen, zu eruieren. Darüberhinaus war die Reise ein Pilotprojekt, um die künftige Zusammenarbeit von verschiedenen Institutionen und Gremien unterschiedlichster gesellschaftlicher Bereiche und politischer Ebenen anzubahnen.

 

Rückführung albanischer Flüchtlinge

Rund 250 000 Kosova-Albaner leben heute noch in der Bundesrepublik, allein 40 000 davon in Baden-Württemberg. Wenn die Innenminister ihre Absicht der bedingungslosen Rückführung albanischer Flüchtlinge wahrmachen, sind davon in Baden-Württemberg wenigstens 20 000 Menschen betroffen. Angesichts der politischen, humanitären, ökonomischen und nicht zuletzt ökologischen Situation in Kosova halten wir das vorläufig für fatal und gefährlich und plädieren deshalb aufgrund aktueller Einsichten für eine sorgfältig abgesicherte Rückführung. Der Friedensvertrag von Dayton enthält leider keine konkreten Auflagen hinsichtlich des Kosova-Konflikts. Die schnelle Ankennung der Bundesrepublik Jugoslawien durch die EU-Staaten hat die Möglichkeit verringert, auch in dieser Frage Druck auf Milosevic auszuüben. Die Aufhebung des Wirtschaftsembargos durch die UNO macht Rest-Jugoslawien wieder zu einem international anerkannten Partner, ohne daß die konfliktträchtige Kosova-Frage auch nur ansatzweise gelöst wäre. Eine Vereinbarung vom 1. September dieses Jahres, die Schulen in Kosova für albanische Kinder zu öffnen, ist bis heute nicht eingelöst. Eine Amnestie für flüchtige albanische Deserteure existiert trotz anderslautender serbischer Beteuerungen bis heute nur auf dem Papier.


Fazit

Wir haben nach unserer einwöchigen Reise nach Kosova den Eindruck, daß es unter den genannten Umständen außerordentlich gefährlich ist, nichts oder aber das Falsche zu tun. Die bedingungslose Rückführung von Flüchtlingen, ohne gleichzeitige Aufbau- und Wirtschaftshilfen, würde die politische und soziale Situation der Menschen in Kosova zusätzlich destabilisieren. Auch müßte der gewaltfreie Weg gegen die serbische Apartheid und in die eigene Unabhängigkeit international nachhaltig und entschlossen unterstützt werden.
Wir schlagen deshalb eine ökonomisch-ökologische Entwicklungspartnerschaft vor, die mit einfachen, überschaubaren Projekten und Kooperationen beginnen kann. Partner sollten Gruppen, Institutionen und eventuell Unternehmen aus Baden-Württemberg und Kosova sein.
Politische, wissenschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Unterstützung der albanischen Bevölkerungsmehrheit, ihrer Parallelinstitutionen und ihrer politischen Führung wäre ein wichtiger Beitrag zur Kriegsprävention in einer der gefährdetsten Regionen des Balkan.
Ende 1996 müssen wir feststellen, daß dieser Bericht und unsere Schlußfolgerungen nichts an Aktualität verloren haben. Dies wird uns aus verschiedenen Quellen aus Kosova bestätigt.

 

2. ZUR AKTUELLEN POLITISCHEN SITUATION

 

Das "Pulverfaß" ist ein sehr ziviles Land
In allen Berichten und Nachrichten über Kosova wird die Metapher "Pulverfaß" bemüht, dessen Lunte bereits gezündet sei. Das ruft eine Vorstellung auf, daß es dort eine durch und durch gewaltsame und gewalttätige Bevölkerung gebe bzw. eine explosive Situation, in der jederzeit Krieg ausbrechen könne. Mag sein, daß die Lage in den vergangenen 6 -7 Jahren, seit dem Verfassungsbruch der Serben durch Aufhebung der Autonomie und durch den rechtswidrig erklärten Ausnahmezustand, erheblich brisanter war als Anfang September 1996. Ein "Pulverfaß" ist dieses Land jedenfalls nicht, wie die jüngere Geschichte bewiesen hat. Die albanische Bevölkerung hat all die Jahre der Besetzung und Unterdrückung ruhig und geduldig, zivil und gewaltfrei ertragen und doch nicht hingenommen. Im Unterschied zu allen andern Republiken des ehemaligen Jugoslawien setzte die 90-Prozent-Mehrheitsbevölkerung der Kosova-Albaner nie auf Gewalt. Diesen Unterschied hat man in der europäischen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Die Region ist instabil und die Situation kann leicht durch eine falsche Rückführungspolitik destabilisiert werden
Auch wenn die Metapher vom "Pulverfaß" abgelehnt wird, gilt dennoch: Die Region insgesamt, mit all den neuen, z.T. erheblich verfeindeten und in sich brüchigen Staaten ist instabil. Für die gesamte Region, für die inner- und zwischenstaatlichen Beziehungen, wird nach wie vor eine friedliche Lösung gesucht. Wer glaubt, mit dem "Friedensabkommen von Dayton" wäre schon Frieden geschaffen, täuscht sich gewaltig. Wie lange die Situation in Kosova stabil bleibt, hängt wesentlich von der Politik der Serben ab und davon, was mit den Flüchtlingen geschieht. Verschärfen die Serben ihre Repressionspolitik und schicken die deutschen Behörden die Kosova-Albaner im Rahmen der Flüchtlingsrückführung einfach zurück, dann kann die derzeit relative Stabilität leicht zerbrechen.

 

Überraschend wenig Militär und Polizei auf den Straßen

Die Situation im Land wirkte entgegen allen Klischees und Vorberichten ziemlich friedlich und normal. Die Präsenz von Militär und Polizei auf Straßen und Plätzen war sehr gering, deutlich geringer als noch im Frühjahr, nach einem Mord an einem albanischen Studenten. (In Deutschland sieht man überall mehr Polizei und Militär auf den Straßen.) Das ist noch keine demokratische Freiheit, aber immerhin Luft zum Atmen. Damit soll keineswegs die Tatsache heruntergespielt werden, daß die "serbischen Besatzer", wie die Albaner sagen, in all den Jahren willkürlich Leute schikaniert, verhaftet, verfolgt und auch gefoltert haben. Auch soll nicht vergessen werden, daß sie dies jederzeit wieder tun können und Polizeiwillkür nach wie vor Alltag für Albaner ist. Aber derzeit halten sich die "serbischen Behörden" ziemlich zurück, vielleicht wegen der allgemeinen Aufmerksamkeit der internationalen Medien im Umfeld der ersten demokratischen Wahlen in Bosnien. Die LDK kann einigermaßen unbehelligt ihre alternative Regierung und Verwaltung machen, die andern politischen Parteien und Organisationen können ebenfalls arbeiten, ohne ständige Verfolgung und Überwachung. Und doch liegt über allem die Bedrohung und die Erfahrung, daß in der Vergangenheit politische GegnerInnen im Gefängnis landeten. Die Erzählungen der Folteropfer werden nicht vergessen.

 

Die serbische Staatsmacht ist gut gesichert

Die polizeilich-militärische Absicherung des serbischen Regimes ist gleichwohl vorhanden, auch wenn sich die Macht nicht strotzend präsentiert. Polizei, Militärpolizei und Armee zusammen machen gut 100 000 Mann aus. Bei zwei Millionen albanischen EinwohnerInnen kommen auf je 20 AlbanerInnen eine bewaffnete staatliche Ordnungskraft. Das entspricht dem 10- bis 20-fachen ziviler Staaten. Wobei wir mal außer Acht lassen, daß die Serben auch privat Waffen tragen. Zum Vergleich: Übertragen auf Baden-Württemberg entspräche das einer Staatsmacht mit 500 000 Mann, also die ganze Bundeswehr plus Bundesgrenzschutz zusätzlich zur bereits vorhandenen Polizei.

 

Der Glaube an baldige Unabhängigkeit ist ungebrochen

Die politische Führung der albanischen Unabhängigkeits- und Demokratiebewegung und die albanische Bevölkerung spielen trotzdem nicht die Opferrolle. Gewalt und Haß werden nicht geschürt, das ist entscheidend. So hat beispielsweise die Führung der LDK, insbesondere Präsident Rugova, immer wieder mäßigend gewirkt, wenn der Konflikt sich zu radikalisieren drohte, zuletzt anläßlich der bereits zitierten Ermordung des albanischen Studenten, als man sogar die Forderungen aus den eigenen Reihen nach einer Massendemonstration zu unterbinden versuchte. Die serbischen Besatzer sollen nicht provoziert werden. Der friedliche Weg soll nicht gefährdet, weitere Opfer sollen vermieden werden. Man ist sich sicher, das Recht auf seiner Seite zu haben. Der Glaube an bessere Zeiten und eine baldige Unabhängigkeit ist ungebrochen, ja beeindruckend stark. Man hofft nach wie vor auf die Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft, vor allem auf die USA und die BRD, obgleich deren außenpolitisches Engagement für Demokratie und Unabhängigkeit von Kosova eher bescheiden war.

 

Die Antwort auf Apartheid: Selbstorganisation und eigene Strukturen

Die Albaner leben ihr Leben und ignorieren die Serben so gut es geht. Die SerbInnen haben die AlbanerInnen von Schulen, Hochschulen und indirekt auch von der medizinischen Versorgung ausgesperrt, sie haben ihre Restaurants, Geschäfte, Läden etc. Und die AlbanerInnen haben ihre eigenen Einrichtungen geschaffen - von der Schule bis zum Restaurant. Nirgends steht ein Schild, "nur für Serben" oder "albanisches Restaurant", aber (fast) alle halten sich an die unsichtbaren Schilder. Für die Albanische Bevölkerung ist dieses Meiden der Serben wesentlicher Teil ihrer Strategie, sie loszuwerden, das haben uns unsere albanischen BegleiterInnen deutlich gemacht, wenn wir mal in Unkenntnis ein serbisches Lokal ansteuerten.

 

Grandiose Leistung einer zivilen Verteidigungsstrategie:
die albanischen Parallel-Institutionen

Wovon viele FriedensforscherInnen in Seminaren zum gewaltfreien Widerstand immer wieder träumen, in Kosova ist es seit Jahren Realität: gewaltfreier, ziviler Widerstand und Selbstverwaltung jenseits der strukturell und personell gewaltsamen Besatzungsmethoden. Nach dem Rauswurf zunächst der albanischen ProfessorInnen und LehrerInnen (ab 1989), dann auch der SchülerInnen und StudentInnen aus den staatlichen Bildungsinstitutionen (1991) haben die AlbanerInnen unter der Führung der Demokratischen Liga Kosova (LDK) ein eigenes Bildungssystem aufgebaut und damit die Tradition des bildungsautonomen Kosova fortgesetzt. Privatleute stellten nicht gebrauchte oder noch nicht fertiggestellte Häuser zur Verfügung, damit die junge Generation nicht auf der Straßen sitzt und nichts lernt. Die LDK organisierte den Einzug einer freiwilligen Bildungsabgabe aller Verdienenden im In- und Ausland von 3 %. So konnte wenigstens ein minimal ausgestattetes Bildungswesen aufgebaut werden. Zusammengepfercht zu dreißigst in Wohnzimmern, lange Zeit ohne Bänke und Tische, ohne Heizung frierend, mit der Tafel und einem Lehrer als einzigen Medien lernen die jungen AlbanerInnen hoch motiviert und diszipliniert (das können sich deutsche PädagogInnen kaum vorstellen) seit 5 bis 6 Jahren. Die ersten StudentInnen der selbstverwalteten Uni machen gerade Examen. Die SchülerInnen der ersten 6 Klassen kennen gar nichts anderes. Im Drei- oder Vierschichtbetrieb, von morgens 8 bis abends 8, werden z.B. tausend GymansiastInnen in einem Dreifamilienhaus oder 2000 GrundschülerInnen in einem mit Mauern abgetrennten Restschulgebäude unterrichtet.

 

Der Vertrag zwischen Milosevic und Rugova:
Rückkehr zur alten Normalität oder serbisches Täuschungsmanöver?

Während unseres Besuches wird bekannt, daß unter der Moderation von Dritten (u.a.auch durch den Vatikan) zwischen den Präsidenten Milosevic und Rugova ein Abkommen ausgehandelt wurde, wonach die albanischen SchülerInnen und StudentInnen wieder in die staatlichen Einrichtungen zurückkehren dürfen. Die meisten können es kaum glauben, man freut sich gleichwohl wie über ein großes Geschenk, und keiner weiß genau, wie und unter welchen Bedingungen die Rückkehr funktionieren soll. Selbst Präsident Rugova, der mit diesem Abkommen zum ersten Mal von den Serben als Verhandlungspartner akzeptiert wurde, kann dies noch nicht sagen: "Nun kommen die schwierigen Verhandlungen der konkreten Implementation".
Am Tage der Veröffentlichung versuchen die ersten SchülerInnen ihre alte Schule zu besuchen und werden von der serbischen Polizei abgewiesen, Rugova hat mit solchen Fällen gerechnet und ist gleichwohl zuversichtlich. Andere Oppositionelle halten das ganze für einen miesen Trick der Serben, die Albaner und die internationale Öffentlichkeit ruhig zu stellen. Wir sehen mit der Führung der LDK diesen Vertrag als ersten großen Schritt, dem viele kleine folgen müssen, um das Apartheidregime zu beseitigen.
Drei Monate nach unserem Besuch sind die Bildungseinrichtungen trotz des Abkommens immer noch nicht offen für albanische SchülerInnen und StudentInnen.

 

Warten auf Zeichen der internationalen Politik

Die Situation in Kosova ist nach wie vor gespannt. Die relative Ruhe und Gelassenheit hält vor allem aufgrund der Hoffnung auf Unterstützung von außen nun schon ziemlich lange an. Der zivile Widerstand, der gewaltfreie Weg in die Unabhängigkeit hat auch alle Kriege im ehemaligen Jugoslawien überstanden. Diese Geduld der albanischen Bevölkerung wird freilich nicht ewig anhalten, wenn dieser Weg keinerlei Erfolge bringt. Hier müssen Zeichen gesetzt und konkrete Schritte in Richtung Autonomie bzw. Unabhängigkeit getan werden, sonst könnte es sein, daß sich die derzeitige Führung mit ihrem gewaltfreien Kurs nicht wird halten können. (Schon heute werfen Auslandsalbaner und kleine radikale Parteien der LDK eine erfolglose "Appeasement-Politik" vor und fordern, noch unbestimmt, einen härteren Unabhängigkeitskurs gegen die Serben.)

 

Die internationale humanitäre Hilfe ist mehr als soziale Überlebenshilfe

Derzeit ist die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage in Kosova im Vergleich zu den Kriegsländern relativ gut. Dort geht es den Menschen nach den Kriegs- und Embargojahren deutlich schlechter als früher. Dies hat die politische Situation sicher wesentlich stabilisieren helfen. In Relation zu diesen Ländern hat Kosova in der Kriegszeit trotz Embargos aufgeholt. Insofern hat sich die gewaltfreie Strategie auch "ausgezahlt". Kosova ist nicht (mehr) das Armenhaus des Balkan. Auch dieses beliebte Klischee gilt es abzuräumen.
Dennoch gibt es in diesem Land noch sehr viele arme und hilfsbedürftige Menschen. Gäbe es nicht die massive internationale Hilfe durch Kirchen (Mutter Teresa) und andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie beispielsweise Mercy Corps International, es sähe wohl verheerend aus. Die internationale Hilfe versorgt mindestens ein Drittel der albanischen Bevölkerung mit dem nötigsten: Nahrungsmittel, Kleider und medizinische Hilfe. Was bei uns die Sozialhilfe leistet, leisten in diesem Land die Hilfen von außen. Die serbische Administration kann sich dafür bedanken und die internationale Politik sollte Milosevic und Co. dies auch deutlich sagen. Denn offenbar ist man weder bereit noch in der Lage, die zwangseingegliederte Bevölkerung zu versorgen.

 

Wirtschaftliche Aufbauhilfe auch für Kosova nötig

Zugleich wird verhindert, daß sich das Land ökonomisch entwickeln kann. Die Infrastruktur läßt man vergammeln, von einem wirtschaftliche Aufbauprogramm der offiziellen Regierung ganz zu schweigen. Impulse bringen allenfalls die Transferleistungen der AuslandalbanerInnen. Alles was sich bewegt, muß mühsam an der serbischen Verwaltung vorbeibewegt werden.
Die ohnehin marode industrielle Staatswirtschaft liegt seit der Säuberung nach ethnischen Kriterien völlig darnieder. Erst wurden in den Staatsbetrieben die albanischen Manager durch Parteibuchserben ersetzt, danach hat man auch mehr und mehr die albanischen Beschäftigten entlassen, anfangs noch nach politischen Kriterien, später nur noch nach ethnischen. Von den rund 200 000 Menschen, die einst in Industrie, Bergbau und Energie beschäftigt waren, sind die allermeisten entlassen, 150 000 sind arbeitslos. Etwa 50 000 haben irgendwo im privaten Kleingewerbe einen Job gefunden. Der größte Teil (rund 80 %) der erwerbsfähigen Bevölkerung ist nach deutschen Maßstäben arbeitslos. Allerdings heißt das nur, daß man keine Erwerbsarbeit hat. Beschäftigt - irgendwie - sind fast alle, als Händler und Verkäufer, auf dem eigenen Bau, bei Nachbarn oder Verwandten, mit Kleinlandwirtschaft (Subsistenzbetriebe). Vieles läuft wohl jenseits des Geldsektors auf der Basis einer Naturalwirtschaft bzw. im Arbeitstausch, hilfst du mir, helfe ich dir.
Große Teile der Bevölkerung leben von der Unterstützung von außen, vor allem aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. Mit 200 Mark monatlich (das entspricht dem derzeitigen Monatseinkommen eines Lehrers z.B.) kann man eine Familie einigermaßen über die Runden bringen. Wenn diese solidarische Hilfe ausbleibt, bricht das labile System der Versorgung zusammen.
Wenn in den kommenden Monaten und Jahren die internationalen Wiederaufbauhilfen in Milliardenhöhe in die Kriegsländer fließen, während Kosova hilflos unter serbischer Notstandsverwaltung stagniert oder retardiert, wird dies sicher zur allgemeinen Frustration und schließlich zur Konflikteskalation führen.

 

Es gibt keine Alternative zur Selbstbestimmung

Haben manche von uns am Sinn der Kosova-Unabhängigkeitspolitik vor der Reise noch gezweifelt, so haben uns die vielen Gespräche und Beobachtungen klargemacht, daß die Beziehungen zwischen der albanischen Mehrheit und den serbischen Besatzern aufgrund der jahre- und jahrzehntelangen Erfahrungen nachhaltig gestört sind. Man traut den Serben alles Schlechte und nichts Gutes zu, sie sollen möglichst schnell verschwinden bzw. die Macht an die Mehrheit abgeben. Man will sich selbst regieren wie alle Völker dieser Welt und damit basta.
Die schöne Hoffnung vom Zusammenleben der verschiedenen Ethnien und Kulturen - in welchem Staat auch immer - ist in Kosova so obsolet wie in Serbien, Bosnien und Kroatien. Der kulturelle, historische und soziale Graben zwischen Albanern (mit ganz eigener, romanischer Sprache und Kultur) und den andern, überwiegend slawischen Völkern und Kulturen ist riesig. Während die letzteren die Albaner für den allerletzten Abschaum halten, haben diese ein außerordentlich hohes kulturell und historisch begründetes Selbstbewußtsein, womit sie sich ebenfalls drastisch als ältestes Kulturvolk (Illyrer, die "Vorfahren" der Römer und Griechen) von den andern abgrenzen. Beziehungen friedlicher Art werden wohl eher aus getrennten (Klein-)Staaten heraus entstehen, wenn ökonomische Notwendigkeiten und internationale Vernetzung auf der Basis von Unabhängigkeit zur Annäherung führen.

 

3. ÖKOLOGISCH-ÖKONOMISCHE PROBLEMBEREICHE


Ausgangslage

Auch wenn eigentlich alles bekannt ist, dürfte die Erinnerung daran nützlich sein, daß der Grund für die ex-jugoslawische Tragödie beileibe nicht nur schierer und dumpfer Nationalismus war, sondern vor allem ein gnadenloser Verteilungskampf um die verbliebenen Werte aus einer ohnehin siechen Wirtschaft und Industrie. Über Jahrzehnte, bis zum Ende der Blockkonfrontation, war der ex-jugoslawische Staatshaushalt zu einem Fünftel aus Ost und West subventioniert, das dann entfiel. Devisen wurden Ende der 80er Jahre fast nur noch mit Tourismus an der Adriaküste, dem Staatshandel, Export von Arbeitskräften und in geringem Umfang in der verarbeitenden Industrie erwirtschaftet. Die sozialen Segnungen des jugoslawischen Sozialismus übertrafen bei weitem die Wertschöpfung aus dem Bruttosozialprodukt. Der Neid-Faktor radikalisierte den Nationalismus. Raub und schnelle Beute durch militärische Unterwerfung schienen der Ausweg.
Doch tatsächliche Beute, au§er dem Geld in Banken und Sparstrümpfen, oder dem Fernsehgerät des Nachbarn gab es eigentlich schon nicht mehr. Natürliche Ressourcen wie Mineralien, aber auch die Produkte der Schwer- und chemischen Grundgüterindustrie waren auf dem europäischen Markt nicht mehr konkurrenzfähig. Das verarbeitende Gewerbe und die einst profitable Lohnveredelungs-Industrie hatte spätestens 1990 billigere und sicherere Produktionsstandorte gefunden.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil. Sogar die Chancen, da§ sich selbst in Regionen, die vom Krieg kaum oder gar nicht beeinträchtigt waren, in den kommenden 10 -20 Jahren etwas verbessern könnte, sind eher gering. Es sei denn, mit ausländischen Milliarden-Investitionen würde eine fast vollständig veränderte, innovative und verlä§liche Wirtschaftsstruktur aufgebaut. Dafür fehlen die politischen Rahmenbedingungen: Geld ist zwar willkommen, aber nur für den Konsum.

 

Kosova

Die wirtschaftliche Ausgangslage in der albanischen Provinz Kosova unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der anderer Regionen Ex-Jugoslawiens. Die Produktion in der Schwer-, Gebrauchs- und Konsumgüterindustrie ist seit der serbischen Besetzung der Region auf 30 % gesunken. Die albanischen Arbeitnehmer sind entlassen. Große Teile der Industrie wurden demontiert und au§er Landes geschafft. Ebenso die geringe Ausbeute aus den reichen Minen im Norden des Landes. Albanische Bankguthaben wurden weitgehend konfisziert. Fiskalische Sonderverordnungen lähmen den Handel und haben alle gewerblichen Aktivitäten bis hin zur Agrarproduktion auf ein Minimum reduziert. 30 Jahre sozialistischer Raubbau haben in dem einstigen Agrarland ein ökologisches Desaster angerichtet. Zu den Kosten für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau Kosovas kommen die für eine Generalsanierung der Industrieregionen.
Die guten Gründe, gerade in Kosova und mit überschaubaren Projekten, dennoch einen Anfang zu wagen, liegen deshalb woanders.

  • Kaum eine Region in Ex-Jugoslawien hat sich bis heute eine vergleichbare Zivilität bewahrt.
  • Das Programm der politischen Gewaltlosigkeit bis zu einer evtl. Selbständigkeit hat bisher nicht nur einen Krieg und die Zerstörung von Infrastrukturen und Privatbesitz verhindert, sondern eine sehr weitgehende, friedliche Solidarität nach innen geschaffen.
  • Der systematische Aufbau und die bisherigen Erfahrungen mit sozialen Alternativstrukturen lä§t die Hoffnung zu, da§ das auch im ökonomischen Bereich in solidarischer Form gelingen könnte.
  • Der Ausbildungsstand und die Motivation vor allem der jüngeren Generation sind überdurchschnittlich hoch.
  • Die politische Elite des Landes hat sich der sozialen Marktwirtschaft und einem demokratischen Pluralismus verpflichtet.


Erste Sondierungen für evtl. künftige Projekte erstreckten sich über folgende Bereiche:

  • Energiewirtschaft/Alternativen
  • Agrarwirtschaft/Distribution
  • Umweltverschmutzung/Müll/Sanierungskonzepte.

Geplant sind eine Stiftung für die ökonomische und ökologische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Provinz Kosova mit einem gezielten studentischen Austauschprogramm und einem Koordinations- und Informationsbüro in der Provinzhauptstadt Prishtina.


3.1. Energiewirtschaft


Umwelt- und gesundheitsschädliche Energieerzeugung

Die Energieerzeugung und -versorgung ist in Kosova wie in allen ehemaligen Planwirtschaften extrem unökologisch und in hohem Maße gesundheitsschädlich für die Bevölkerung. Zwei Großkraftwerke, befeuert mit Weichbraunkohle aus eigenen Vorkommen, versorgen die ganze Provinz zentral mit Strom und z.T. auch mit Wärme. Das eine Kraftwerk wurde 1960 von einem sowjetischen Kombinat errichtet, sieht entsprechend alt und verrottet aus und ist offensichtlich eine riesige Rauch- und Dreckschleuder. Die Rauchfilter sind ungenügend und funktionieren oft nicht. Die Verschmutzung von Luft und Landschaft ist im weiten Umkreis sichtbar. Sie wurde zuletzt 1990 von einer internationalen Forschergruppe wissenschaftlich nachgewiesen. Schwefel und Stickstoff und große Mengen schwermetallhaltiger Abgase belasten, wie die genannte internationale Studie nachgewiesen hat, seit Jahrzehnten die Umwelt. Das andere Kraftwerk, ein deutsch-schwedisches Modell, ist erst 15 Jahre alt und technisch durchaus vergleichbar mit Großkraftwerken bei uns. Entstickungs- und Entschwefelungsanlagen fehlen allerdings. So wird ein Mehrfaches der bei uns erlaubten Schadstoffmenge beständig in die Umwelt abgegeben.
Stickstoff und Schwefeldioxid zusammen mit großen Mengen schwermetallhaltiger Flugasche belasten die Luft und anschließend die Böden und das Grundwasser. Direkt bei den Kraftwerken lagern außerdem offen/ungesichert Asche, Schlacke und Filterstäube, die über das Regenwasser das Grundwasser verunreinigen.

 

Altkraftwerke sanieren, Sonnenenergie und Wasserkraft nutzen

Die Einrichtung von funktionsfähigen Filtern, Entschwefelungs- und Enstickungsanlagen sowie die Sanierung der grundwassergefährdenden Ablagerungen ist mehr als dringlich. Vermutlich muß das Altkraftwerk aus den 60er Jahren komplett stillgelegt werden.
Neben diesen Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen müssen umweltfreundliche, regenerative Energieerzeugungsformen eingeführt werden. Diese wurden bislang kaum genutzt, sie sind z.T. sogar völlig unbekannt. Information und Wissenstransfer wäre dafür besonders sinnvoll und hilfreich: Da nur die Hälfte des Wasserkraftpotentials bislang genutzt wird, könnten Wasserkraftressourcen in erheblichem Umfang erschlossen werden. Sie könnten ein mittelgroßes Kohlekraftwerk ersetzen. Zugleich muß der Einstieg in die Nutzung von Solarenergie gesucht werden. Klimatisch bietet das Land mit vielen Sonnentagen eine gute Chance, die Sonnenenergie zu nutzen. So könnte vor allem die Warmwasseraufbereitung mit Sonnenkollektoren vorangetrieben werden, da Warmwasser vielfach völlig energieverschwenderisch mit Strom aufgeheizt wird. Außerdem ist diese Technologie einfach und preiswert.
Auf mittlere Sicht könnte sich auch die photovoltaische Nutzung von Sonnenenergie rentieren. Die Nutzung von der Sonne zusammen mit kleinen Kraftwärmekopplungsanlagen (Blockheizkraftwerke) würde die Abhängigkeit von den serbisch geführten Großkraftwerken mit überzogenen Energiepreisen deutlich vermindern. Zugleich wäre das ein Beitrag zur Schadstoffminderung und eine wirtschaftliche Entwicklungschance für kleine und mittlere Betriebe, die das Land zur Schaffung neuer Arbeitsplätze dringend bräuchte.

 

3.2. Müllentsorgung, Grundwasserschutz

Keine funktionierende Müllbeseitigung, Gefährdung der Gesundheit und des Wassers durch wilde Deponien
Müllcontainer stehen zwar überall in den Wohngebieten. Sie werden aber von der serbischen Verwaltung nicht oder allenfalls ab und an geleert. Entsprechend sieht es aus: Müll - vom alten Autowrack bis zur Cola-Dose und Plastikflasche - liegt überall an Straßenrändern und in Flußläufen auf unschöne Art und Weise herum. Er belastet Böden und Gewässer direkt mit Schadstoffen und ist ein erhebliches gesundheitliches Risiko. Zwar räumen die BürgerInnen den Müll in Privatinitiative immer mal wieder weg, aber von geordneter Entsorgung oder gar Recycling kann keine Rede sein.


Aufbau einer ökologischen Abfallwirtschaft

Die Abfälle, die in städtischen albanischen Haushalten anfallen, sind prinzipiell die gleichen wie bei uns: Plastik, Metall, Papier, Glas, Essensreste, Verbundstoffe und Vermischtes. Die Menge und die Zusammensetzung ist freilich unterschiedlich. Industrie- und Gewerbeabfälle gibt es aufgrund der gedrosselten Produktion heute weniger als Anfang der Neunzigerjahre, gleichwohl sind sie aufgrund ihrer Giftigkeit (z.B. Phenole, Schwermetalle) für die Umwelt ein großes Risiko. Außerdem gefährden einige industrielle Altlasten wie beispielsweise die ungesicherten Ablagerungen großer Mengen belasteter Reststoffe einer riesigen Bleifabrik die Umwelt wie eine Zeitbombe.
Auch wenn aufgrund der ökonomischen Situation nicht annähernd so viel Müll pro Person anfällt wie etwa in der Bundesrepublik, so müßte und könnte eine an Wiederverwendung und Verwertung orientierte Abfallwirtschaft aufgebaut werden. Hierzu fehlen bislang Ideen und Konzepte. Wir könnten sie mit unseren Erfahrungen bieten. Es gibt hierzulande genügend Wissen und technische Verfahren, die dort eingesetzt werden könnten. Der Einstieg in eine ökologische Abfallwirtschaft wäre auch ökonomisch sinnvoll: Ressourcen und Umwelt schonend und zugleich eine Möglichkeit Arbeitsplätze zu schaffen.


Bau von Kläranlagen dringlich

Angesichts der Tatsache, daß Industrieabwässer nur dürftig gereinigt werden und die Haushalte gar nicht an Kläranlagen angeschlossen sind, halten wir den Bau von Kläranlagen zur Sicherung des Grundwassers für außerordentlich wichtig. Da die natürlichen Gewässer seit Jahren als Abwässerkanäle genutzt werden, wird es auch nach dem Bau vonKläranlagen immer noch viele Jahre dauern, bis dort wieder das "vorindustrielle" natürliche Leben von Pflanzen und Tieren in all seiner Vielfalt wieder möglich ist.

 

3.3 Agrarwirtschaft, Lebensmittelproduktion und -distribution


Situation der landwirtschaftlichen Erzeugung

Sowohl Klima als auch Bodenqualität bieten gute Voraussetzungen für die landwirtschaftliche Erzeugung. Im Osten des Landes sind dies vor allem Ackerbau und Viehhaltung, im Westen Obst- und Gemüseanbau und Sonderkulturen wie Wein und Tabak. Der Anteil der Eigenerzeugung am heimischen Lebensmittelverbrauch beträgt allerdings nur ca. 40 %.
95 % der landwirtschaftlichen Fläche befinden sich im Privatbesitz der albanischen Bevölkerung von Kosova und werden als Familienbetriebe bewirtschaftet. Insgesamt ist die landwirtschaftliche Fläche pro Kopf der Bevölkerung deutlich geringer als etwa in Westdeutschland. Die durchschnittliche Größe der landwirtschaftlichen Betriebe liegt bei ca. 2 Hektar. Die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse fand bisher fast ausschließlich in staatlichen Betrieben statt.


Probleme

Seit der Entlassung der albanischen Mitarbeiter aus den staatlichen Betrieben ist die Verarbeitung der Agrarproduktion fast vollständig zum Erliegen gekommen.
Durch Umwelteinflüsse, Intensivanbau, Verschmutzung, Erosion u.a. reduziert sich die landwirtschaftliche Nutzfläche jährlich um ca. 1000 Hektar.
Fiskalische Einflüsse und Festlegung der Erzeugerpreise lassen eine wirtschaftliche Erzeugung von Agrarprodukten nicht mehr zu und zwingen die Landwirte zum Subsistenzbetrieb.
Die in der Vegetationszeit notwendige Bewässerung der Kulturen ist trotz ausreichender Wassermenge wegen fehlender Leitungssysteme nur auf knapp 20 % des Anbaugebietes möglich.
Über stark kontaminierte Böden und Flüsse, durch Emissionen aus der Industrieproduktion, wurde das Grundwasser in großen Regionen unbrauchbar gemacht.

 

Vorschläge

  • Ausbau des Bewässerungsnetzes,
  • Einhaltung einer Boden schonenden Fruchtfolge,
  • Gezielte Schulung durch landwirtschaftliche Berater und intensive Unterstützung von "Pionierbetrieben",
  • Informationstransfer und gemeinsame Projekte mit deutschen landwirtschaftlichen Hochschulen,
  • Die landwirtschaftlichen Familienbetriebe sollten versuchen, in kleinen Erzeugergemeinschaften auch die Verarbeitung ihrer Produkte selbst zu organisieren (Molkereien, Öl- und Getreidemühlen, Vermarktungskooperativen, gemeinsame Maschinennutzung).

 

4. KONSEQUENZEN / FAZIT


Politische Folgerungen und Forderungen

  • Die Bundesrepublik Deutschland und die EU müssen öffentlich und vor allem in Belgrad deutlich machen, daß sie die Aufhebung des Autonomiestatus und die derzeitige Kriegsrechtsverwaltung in Kosova für eine Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechts halten. (Derzeit herrscht aufgrund dieser Anerkennungspolitik in der uninformierten deutschen Öffentlichkeit und wohl auch in den Reihen der PolitikerInnen der Eindruck vor, die Albaner wären im Unrecht.)
  • Es gilt zuerst den in Jugoslawien verfassungmäßig ab 1974 garantierten Autonomiestatus Kosovas wiederherzustellen. Das kann und muß vom selbsternannten Rechtsnachfolgestaat Restjugoslawien mit (politisch-ökonomischem) Nachdruck verlangt werden, weil Serbien dieses Recht 1989 einseitig gebrochen hat. Nachdem die Bundesrepublik, ohne konkrete demokratische Bedingungen zu setzen, Restjugoslawien vorschnell diplomatisch anerkannt hat, sollten zumindest alle weiteren politischen und ökonomischen Verbesserungen der Beziehungen von solchen Bedingungen abhängig gemacht werden.
  • In dieser Übergangszeit gilt es unter internationaler Moderation (OSZE/UN) einen Transformationsprozeß zur Unabhängigkeit auszuhandeln, in dem sowohl die Rechte der serbischen und anderen Minderheiten als auch die Interessen Restjugoslawiens berücksichtigt werden müssen. Im Interesse eines dauerhaften Friedens auf dem Balkan und weil dieser friedliche Weg viele Menschenleben rettet, sollte die internationale Staatengemeinschaft diesen Prozeß politisch und ökonomisch unterstützen. Es wäre allemal billiger, als jede Form der Militärintervention oder die Folgekosten durch Kriegsflüchtlinge.

 

Jenseits dieser ganz großen Ziele bedarf es zahlreicher kleiner, vorbereitender oder begleitender Schritte.

  • Insbesondere muß die Rückführung von Flüchtlingen und Deserteuren unbedingt an ein politisch-ökonomisches Entwicklungskonzept (Demokratisierung und soziale Marktwirtschaft) geknüpft werden. Eine Rückführung ohne ein solches Konzept wäre nicht nur unmenschlich, es wäre vor allem im höchsten Maße politisch gefährlich.
  • Da das Land außerordentlich darunter leidet, daß seit Jahren große Teile der Jugend auswandern/flüchten, sind alle an der Rückkehr der hochgebildeten jungen Leute interessiert. Und diese sind selbst sehr an der Rückkehr interessiert. Sie können und werden aber unter den aussichtslosen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen nicht zurückkehren. Solange sie für ihre Familien Versorgungsfunktion von außen haben, müssen sie dort so lange wie möglich bleiben , um Geld zu verdienen. Da jeder zwanghafte Versuch der Rückführung scheitern wird, sollten Rückführungsverhandlungen und finanzielle Unterstützungen im Falle der KosovaalbanerInnen so geregelt werden, daß deutsche Gelder nicht der Stabilisierung der serbischen Militäradministration oder der Bereicherung der serbischen Elite dienen. Sie müssen unmittelbar den Flüchtlingen/RückkehreInnen zugute kommen. Dies müßte durch eine entsprechende Kontrolle sichergestellt werden.
  • Nach wie vor fehlt die im Zusammenhang mit dem Dayton-Friedensabkommen und bei der Anerkennung versprochene Amnestie für Deserteure. Diese muß von Restjugoslawien endlich eingelöst werden. Die Haftbefehle sind trotz Amnestiegesetz nicht aufgehoben. Solange diese fehlt, muß die Bundesrepublik Deserteuren gesichertes Bleiberecht gewähren.
  • RückkehrerInnen sollten neben einer Starthilfe für ein erstes Überleben in einem Land ohne Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrende die Chance auf zinsgünstige "Aufbaukredite" erhalten. So könnten sie durch Firmengründungen einerseits einen eigenen Arbeitsplatz schaffen und andererseits einen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung und zur Beschäftigung leisten. Zugleich könnte das weitgehende Fehlen von Kleingewerbe, Klein- und Mittelbetrieben, wie in allen ehemaligen Staatswirtschaften ein riesiges Problem beim Aufbau einer marktwirtschaftlichen Struktur, sukzessive überwunden werden.
  • Angesichts einer völlig veralteten Industrie setzen die Kosova-albanischen PolitikerInnen in diesen Sektor zurecht großen Arbeitsplatz-Hoffnungen.
  • Deutsche und europäische Unternehmen sollten (durch Bürgschaften) ermutigt werden, in Kosova zu investieren. Industrie- und Handelskammern müssen dafür gewonnen werden, einem Land zu helfen, das eine zentralistische Staatswirtschaft in eine Marktwirtschaft überführen will. Im Unterschied zu Rußland und anderen größeren Ländern mit staatswirtschaftlicher Vorgeschichte sind die Verhältnisse in Kosova überschaubar. Bürokratie, Korruption und Kriminalität sind den albanischen Alternativstrukturen fremd. Von daher eignet sich Kosova als Modellfall für die Entwicklung einer ökolgisch und sozial geregelten Marktwirtschaft.
  • Die EU und oder die BRD sollten, vergleichbar mit dem USIS-Center der USA, ein Informations- und Kontaktbüro in Kosova/Prishtina einrichten, einerseits, um der albanischen Bevölkerung ein Zeichen der Anerkennung zu geben, und andererseits, weil das Interesse an Deutschland/Europa außerordentlich groß ist. Im übrigen müssen sich dringend internationale Organisationen und Einrichtungen in Kosova lokalisieren, weil nur so die derzeitige Abschottung der albanischen Bevölkerung vom Rest der Welt aufgelockert werden kann. Schon die Anwesenheit anderer("Dritter") hilft Eskaltionen vermeiden und macht Internationale Friedensinteressen im Konfliktfall wahrscheinlich.
  • Jede weitere Zusammenarbeit, jedes ökonomische Projekt mit Restjugoslawien muß daran geknüpft werden, daß auch ökonomische und politische Erleichterungen/Unterstützungen für Kosova möglich werden. Restjugoslawien muß (wie einst Südafrika) dazu gebracht werden, das Apartheidregime in Kosova aufzugeben.

 

Unterstützungs- und Hilfsvorschläge auf Landesebene (Baden-Württemberg)

Bei den folgenden Vorschlägen handelt es sich um Impulse, von denen wir hoffen, daß sie bei einigen Institutionen und Personen auf Interesse stoßen. Wir wollen durch Gespräche bzw. Kontaktvermittlung dazu beitragen, daß die verschiedenen Ideen aufgegriffen und realisiert werden können. Dabei bedarf es in den meisten Fällen nicht großer Sonderprogramme und Etats. Vielmehr geht es darum, das eine oder andere im Rahmen dessen zu ermöglichen, was Institutionen ohnehin tun und leisten. Es macht ökonomisch und friedenspolitisch Sinn, dabei Kosova bzw. KosovaalbanerInnen zu berücksichtigen.

 

Bereich Hochschulen/Wissenschaft

  • Dezentrale, von Hochschulen selbst organisierte und finanzierte Austauschprogramme: Einige StudenteInnen und junge WissenschaftlerInnen aus Kosova sollen auf Zeit gezielt gefördert werden. Hier Studierenden sollte eine besondere Rückkehrhilfe gewährt bzw. die Chance zur Weitergabe des Wissens ermöglicht werden.
  • Partnerschaften/Patenschaften: Hochschulen bzw. einzelne Fakultäten könnten Patenschaften (später Partnerschaften) mit der Universität von Prishtina aufnehmen mit dem Ziel, sich in besonderer Weise für die von der internationalen Wissenschaft seit 1991 abgekoppelte Universität zu kümmern. Seitens der albanischen WissenschaftlerInnen besteht großes Interesse an allen neueren Forschungen/Erkenntnissen, aber auch an wissenschaftlichen Hilfsmitteln. Da der Ausstattungszustand der Universität absolut dürftig ist, ist nahezu alles eine Hilfe, vom Buch bis zum PC.

 

Bereich Schulen

  • Austausch- und Besuchsprogramme zwischen Schulen: Für albanische SchülerInnen sind Deutsche ausgesprochen interessant. Es besteht großes Interesse, die deutsche Sprache zu erlernen. Brieffreundschaften könnten den Anfang für einen späteren Schüleraustausch bilden. Ein Schüleraustausch- und Besuchsprogramm zwischen einigen Schulen in Baden-Württemberg und in Kosova sollte direkt zwischen Schulen vereinbart werden. Dabei könnten Schulen, in denen vermehrt SchülerInnen albanischer Herkunft sind, den Anstoß geben.

 

Bereich berufliche Qualifikation

  • Techniktransfer und Know-how-Austausch durch berufliche Qualifizierungs- und Praxisprogramme: PraktikantInnenplätze, Arbeit auf Zeit in ausgewählten Betrieben/Einrichtungen, oder Teilnahme an Fortbildungskursen im Bereich von Umwelt- und Energietechnik würde jungen Fachkräften aus Kosova, die dort keinerlei Chancen dieser Art haben, außerordentlich helfen, Umwelttechniken dort einzuführen bzw. anzuwenden.
  • Beratung zur Unternehmensgründung und Führung: IHK, Wirtschaftministerium und Landesgewerbeamt könnten ihre Beratungskompetenz zur Verfügung stellen. Da es bislang aufgrund der staatswirtschaftlichen Vorgeschichte an marktwirtschaftlichen Erfahrungen fehlt, sind sämtliche Formen der Unterstützung hilfreich, von der Publikation über Beratungsgespräche bis zur Betriebsbesichtigung.

 

Erste (grüne) Konsequenzen

Die grünnahe Stiftung (BUNTSTIFT bzw. Heinrich-Böll-Stiftung) hat noch im Herbst 1996 einen workshop zu den Themen Ökologisches Abfallkonzept, Wasserschutz und Energieversorgung in Kosova für junge AkademikerInnen/StudentInnen und FrauenaktivistInnen finanziert. Anfang Dezember 96 hat dieser workshop mit großem Erfolg stattgefunden. Im kommenden Jahr sollen weitere workshops und Seminare zur Landwirtschaft und zum ökologischen Wirtschaften folgen. Der grünnahe Wirtschaftsverband "Unternehmensgrün" sondiert mögliche Betriebspraktika bei seinen Mitgliedern.

 

Anhang

Dieser Anhang enthält die Langfassungen der Abschnitte:

3.1 Energiewirtschaft
3.2 Müllentsorgung, Grundwasserschutz
3.3 Agrarwirtschaft, Lebensmittelproduktion und -distribution
sowie den Teil Frauenpolitik

 

 

3.1 Energiewirtschaft

Situationsbeschreibung

Die Energieversorgung Kosovas ist bisher geprägt durch die reichen Braunkohlevorkommen, die sowohl für die Wärmeversorgung als auch für die Stromerzeugung genutzt wurden. Erdgas ist bisher nicht verfügbar; Heizöl spielt aufgrund des kriegsbedingten Embargos und von Devisenmangel nur eine geringe Rolle. Von den erneuerbaren Energien werden bisher nur die Wasserkraft in einem großen Kraftwerk und die Sonnenenergie in vereinzelten Anlagen zur Warmwasserbereitung genutzt.
Kosova besitzt umfangreiche Ressourcen an Weichbraunkohle ("Lignite"). Gegenüber der bei uns üblichen Hartbraunkohle hat Weichbraunkohle nur 50% des Heizwertes (ca. 2 kWh/kg) und geringere Schwefelgehalte (ca. 1%). Nachteilig ist der höhere Ascheanfall mit hohen Schwermetallgehalten. Die gesamten Vorräte werden auf 14 Mrd. Tonnen geschätzt; davon sind wirtschaftlich gewinnbar 3 Mrd. to. Abgebaut wurden in den letzten Jahren rund 10 Mio. to pro Jahr; die Reichweite bei der gegenwärtigen Rate der Ausbeutung beträgt also 300 Jahre.
Braunkohle ist der einzige fossile Energieträger, über den Kosova nach derzeitigem Kenntnisstand verfügt. Bei den erneuerbaren Energien wird bisher nur die Wasserkraft genutzt. Deren Potential wird in einer Untersuchung aus den achtziger Jahren auf rund 800 MW geschätzt. In Betrieb ist bisher an einem Stausee im Ruguva-Gebiet ein Kraftwerk mit einer Leistung von rund 300 MW.
Untersuchungen zur Möglichkeit der Nutzung von Windkraft liegen nicht vor. Auf Grund der geographischen Gegebenheiten ist anzunehmen, daß in den Ebenen von Kosova und Metohija eine Windkraftnutzung nicht wirtschaftlich ist; wohl aber auf dem dazwischenliegenden Höhenrücken und an einzelnen Stellen der umliegenden Gebirge.
Warme Quellen gibt es Peja, in Baje und Klokot. Das energetische Potential ist ungeklärt. Kosova besitzt mit seiner Lage um den 42. Breitengrad (Breite von Mittelitalien und einer durchschnittlichen Einstrahlung von 3.800 Wh/d gute Vorraussetzungen zur Nutzung der Sonnenenergie. Im Vergleich zu Albanien und Griechenland (4.300 Wh/d) ist die Einstrahlung geringer, da es im in Kosova häufiger bewölkt ist. Trotzdem liegt sie deutlich über derjenigen z.B. der BRD (2.300 bis 3.150 Wh/d).

 

Gegenwärtige Energieversorgung:

Wärmeversorgung:

Geheizt wurde bis 1989 mit Holz und Weichbraunkohle in Herden, Öfen und Kesseln, mit Stadtgas aus Weichbraunkohle (aus der Vergasungsanlage Obiliq) und für rund 100.000 Einwohner in Prishtina mit Fernwärme aus diesem Stadtgas. Dazu kommen Heizstrom und Heizöl.
Nach dem Verlust der Autonomie hat sich die Situation wie folgt geändert: Weil die albanischen Arbeiter im Braunkohletagebau entlassen wurden (rund 5.000 Arbeiter) fehlt ihnen die Deputatkohle. Die Trocknungsanlage für die Weichbraunkohle arbeitet nur noch mit geringer Kapaizität. Die serbischen Arbeiter verkaufen ihre Deputatkohle teilweise weiter, aber zu stark erhöhten Preisen. Der Anteil der Weichbraunkohle an der Wärmeversorgung ist deshalb zugunsten von Brennholz stark zurückgegangen.
Die Vergasungsanlage hat ihren Betrieb eingestellt. Gas aus Braunkohle zur Heizung kann deshalb nicht mehr eingesetzt werden. Das Gasheizwerk in Prishtina ist deshalb auf Heizöl umgestellt worden und arbeitet nur mit stark reduziertem Betrieb. Flaschengas aus Mazedonien wird eingeführt, ist allerdings knapp und teuer (erlaubte Einfuhr: nur 1 Flasche alle 14 Tage).
Obwohl sich der Strompreis stark erhöht hat, wird immer noch viel mit Strom geheizt, weil oft nichts anderes zur Verfügung steht. Im Fernwärmegebiet von Prishtina z.B. müssen die Bewohner oft auf Strom ausweichen, wenn keine Fernwärme geliefert wird.
Generell sind alle Brennstoffe nach wie vor sehr knapp und teuer. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß nach wie vor die Häuser nur unzureichend geheizt werden und die Bewohner frieren.
Stromversorgung:
In 8 km und 12 km Entfernung von Prishtina gibt es im Braunkohle-Abbaugebiet zwei große Kraftwerke: Kosova A mit rund 790 MW Leistung und Kosova B mit 678 MW Leistung. Kosova A wurde um 1960 von einem russischen Kombinat errichtet, Kosova B 1985 von MAN/GEC-Alstholm. Die Stromproduktion betrug bis 1989 rund 5.000 Mio. kWh/a (zum Vergleich: Baden-Württemberg 1994: rund 65.000 Mio kWh). Davon wurde rund ein Drittel exportiert nach Serbien und Mazedonien. Nach der Übernahme der Kraftwerke durch die Serben ist die Stromproduktion auf rund 3.500 Mio kWh/a abgesunken. Der Stromverbrauch lag 1989 bei rund 1.600 kWh je Einwohner (Zum Vergleich: BRD 7.000 kWh/a). Er dürfte seither durch Stillegung von Industrieanlagen und Knappheit im Haushalts- und Heizstrombereich noch stärker zurückgegangen sein.


Gegenwärtige Probleme bei der Energieversorgung

Bei der Wärmeversorgung sind derzeit die Hauptprobleme die Knappheit und die hohen Preise der Brennstoffe. Im Strombereich ergeben sich Probleme bei der Versorgungssicherheit und durch die hohen Emissionen. Das Kraftwerk Kosova A aus russischer Produktion ist überaltert; die Serben haben Ersatzteile und Betriebsmittel abtransportiert; beide Kraftwerke sind ungenügend gewartet. Die Folge sind Leistungsabfall und Ausfälle. Von der Kapazität her würden die Kraftwerke...

 

 

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