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DIE ARMUT IN ZIFFERN

 

Um gleich zu Beginn einige bekannte Daten hervorzuheben: Die Albaner lebten in Kosova, Mazedonien, Montenegro und Serbien in den unterentwickeltsten und verwahrlosesten Regionen des neuen Staates Jugoslawien. Auch während der vier Jahrzehnte des sozialistischen Regimes wird sich an diesem Zustand so gut wie nichts ändern. Kosova hatte beispielsweise 1945 70,– US Dollar Einnahmen per capita. 1947 war Kosova eine der unterentwickeltsten Regionen der Welt.1 Im Jahre 1963 betrugen die Einnahmen pro Einwohner 312,– USD, während in den 80er Jahren 400,– USD (nominell). 1948 gab es insgesamt 28.000 Beschäftigte. Die inflexible Beharrlichkeit der Vergangenheit hinterließ noch etliche Jahre nach dem Krieg tiefe Spuren. In der Folge steigt die Arbeitslosigkeit: 1960 betrug sie 12%, 1970 – 20%, in den 80er Jahren – 28%, während sie anfangs der 90er über 35% betrug. Errechnet aufgrund des nationalen Einkommens pro Einwohner (in den 70er Jahren), sowie aufgrund anderer relevanter Entwicklungsindikatoren blieb Kosova im Vergleich zu anderen unterentwickelten Regionen Jugoslawiens (Bosnien–Herzegowina, Mazedonien, Montenegro) mehr als zweifach zurück, dreifach hinter Serbien und dem jugoslawischen Durchschnitt, vierfach hinter Kroatien, fünffach hinter der Vojvodina und sechsfach hinter Slowenien.

Die immer größer werdenden Entwicklungsunterschiede zwischen Kosova und anderen Regionen vor Augen habend, ergriff die jugoslawische Führung mehrmals Maßnahmen und legte Sonderpläne vor, um die Unterschiede zu verringern. So schlug Boris Kidriè (dessen Engagement für den Anschluß Albaniens als siebente Republik an Jugoslawien bekannt ist) vor, daß die unterentwickelten Regionen vor den entwickelten bevorzugt gefördert werden sollten, und zwar insbesondere Kosova in der ersten Phase der wirtschaftlichen Förderung. Er publizierte 1946 den Entwurf der regionalen Wachstumsnormen, die die gesamten staatlichen Wachstumsnormen fördern und gleichzeitig die Regionalunterschiede abmildern würden. Kidriè ging davon aus, daß, um alle Regionen gleichzeitig zu einem gleichwertigen Entwicklungsniveau zu bringen, jede Region eine andere Wachstumsnorm haben muß, da jede Region von einer unterschiedlichen Ausgangsposition startete. Laut diesem Entwurf betrugen die entsprechenden regionalen Wachstumsnormen, die den jugoslawischen Durchschnitt von 1947 bis 1964 fördern sollten für: Kosova – 14,4; Mazedonien – 13,2; Montenegro – 12,2; Bosnien–Herzegowina – 11,2; Serbien ohne Provinzen – 10,2; Jugoslawien – 10,0; Kroatien – 9,6; die Vojvodina 9,4 und Slowenien – 6,4. In der wirtschaftlichen Wirklichkeit kam es jedoch anders: Während Slowenien und Kroatien innerhalb dieses Zeitabschnitts sich mit einer Norm von 6,6 weiterentwickelten und die Vojvodina mit 5,6, erreichte die Norm in Kosova ein Wachstum von nur 3,7.2

Unfaßbare Jahre des Hinkens hinter dem ehemaligen Jugoslawien
Unmittelbar nach dem Krieg stieg der Entwicklungsunterschied Kosovas im Vergleich zum jugoslawischen Durchschnitt. Es wurde beispielsweise errechnet, daß, um die Entwicklung zu erreichen, die die jugoslawische Wirtschaft in 17 Jahren (1947–1964) machte, Kosova 27 zusätzliche Jahre benötigt, bzw. 44 Jahre nach 1947. Mit anderen Worten benötigt Kosova zu diesem Zweck 2,5 mal mehr Zeit als die jugoslawische Wirtschaft. Man schätzte schon damals, daß wenn Kosova weiterhin mit einem solchen Rhythmus (Entwicklungsnorm) fortschreite, der jugoslawische Durchschnitt von 1964 nicht vor 1991 erreicht werden könne. Es ist andererseits offenkundig, wie weit es tatsächlich kam.

Inzwischen wurde der Fonds für unterentwickelte Regionen errichtet, doch so, wie es in der Praxis gehandhabt wurde, zeigte er keine Ergebnisse. Im Gegenteil: Die Unterschiede wurden immer größer zu Lasten Kosovas und der Albaner. Es stiegen nicht nur die Mißverhältnisse, Kosova wies obendrein in vielen Entwicklungsindikatoren einen relativen Fall auf. Während der Kosovare 1947 mit 49,9 % an der Sozialproduktion pro Kopf am jugoslawischen Durchschnitt beteiligt war, fiel diese Teilnahme 1984 auf 26,4%. Während 1947 (errechnet pro Kopf) Kosova 2,0 mal hinter dem jugoslawischen Durchschnitt zurückblieb, betrug das Disproportion 1987 3,7 mal. Die Unterschiede zwischen Kosova und Slowenien erreichten im Jahre 1984 ein Mißverhältnis von 7,6 mal.

In der vierzigjährigen Zeitspanne nach dem Krieg (1945–1984) versorgten sich Serbien und Jugoslawien in Kosova mit 100% ihrer Bedürfnisse an verarbeitetem Magnesit; 100% an verarbeitetem Blei (Serbien), 68% Jugoslawien; an rohem Blei 100 % Serbien und 60% Jugoslawien; an Magnesit 47% Serbien; 75% an Zink–Blei–Erze Serbien, 38,5% Jugoslawien; an Kohle 35% Serbien, 12% Jugoslawien; an elektrischer Energie 12% Serbien, 5,5% Jugoslawien.3 Über andere ausgebeutete Bodenressourcen Kosovas gibt die jugoslawische Statistik keine Angaben.

In den ersten Jahren der Nachkriegszeit, besonders zwischen 1950 und 1960, wanderten unter sehr schwierigen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umständen (als nach Kosova angeblich "ausgebildete Fachkräfte" aus Serbien und Montenegro kamen) Tausende schreibunkundige und ungebildete Albaner in Richtung der großen Ballungszentren (Belgrad, Zagreb, Ljubljana, Sarajewo, Bor, Majdanpek, Skopje, Titograd [Podgorica]) und anderswohin aus, wo es nur minimale Chancen für irgendeine Beschäftigung gab. Albanische Auswanderer verließen Kosova und ließen sich in den ghettoähnlichen Armenvierteln der Großstädte nieder. Mit Hilfe ihrer Landsleute konnten sie zwar meistens Arbeit finden, doch war diese Beschäftigung hauptsächlich Ausladen von Kohle in den Kellern, Sägen, Lastentragen und ähnliche schwere und erniedrigende Arbeiten, die niemand sonst machen wollte. Mit anderen Worten: Sie verrichteten ähnliche Arbeiten wie die Portugiesen und Spanier in Frankreich oder Afro-Amerikaner in den USA. In der Umgangssprache Belgrads bezeichnete das Wort "šiptar" * nicht nur die nationale Zugehörigkeit, sondern es war mit einer Reihe von typischen "albanischen" Arbeiten konnotiert.

In jenen mühevollen Jahren der Nachkriegszeit waren viele arme Albaner aus Kosova, Mazedonien und Montenegro genötigt durch die äußerst schwierige soziale, wirtschaftliche und insbesondere politische Lage, gewaltsam gezwungen, in die USA, Kanada, Australien und andere Überseeländer auszuwandern. Die Lage in Kosova war alarmierend, das neue kommunistische Regime übertraf an Gewalt und antialbanischer Politik bei weitem das Karaðorðeviæ’sche Regime und vertrieb, laut Polizeistatistiken, allein in die Türkei über 283.000 Albaner, und zwar: 1953 – 13.000, 1954 – 17.000, 1955 – 51.000, 1956 – 54.000, 1957 – 57.000, 1958 – 41.000, 1959 – 27.000 und 1960 – 23.000. Andere Quellen dagegen sprechen von weit höheren Zahlen der Auswanderer.4

Abgesehen von der politisch motivierten Auswanderung setzt auch die Gastarbeitermigration ein, die besonders ab 1965 stark zunimmt, als in Jugoslawien die sogenannte wirtschaftliche Reform anbricht und Jugoslawien (als einziger sozialistischer Staat) sich dem internationalen und europäischen Arbeitsmarkt anschließt. Unter normalen Umständen sind Migrationen Indikatoren charakteristischer zwischenmenschlicher Verhältnisse, des Strebens nach Verbesserung des sozialen und wirtschaftlichen Status sowie der geänderten Lebensumstände. Über Migrationen ist vieles bekannt, aber bei weitem nicht ausreichend, als allgemeines soziales und wirtschaftliches Raumphänomen im Gefüge allgemeiner Geschehnisse gar wenig, denn es fehlt immer noch an umfassenden tiefen Sondierungen, die profunde Einsichten über dieses Phänomen in Raum und Zeit bringen würden.5 Als besonderes Problem ergibt sich der methodische Aspekt, da die Ergebnisse durchgeführter Volkszählungen (und das Fehlen eines permanenten Volksregisters) keinen ausreichenden Spielraum zur Untersuchung erlauben, insbesondere wenn es um Richtung, Auswirkung und Zweck der Auswanderung geht.6 Es ist jedenfalls eine unbestrittene Tatsache, daß zeitgenössische wirtschaftliche Migrationen im Grunde genommen ein Phänomen wirtschaftlicher und sozialer Bewegungen sind aufgrund der schnelleren Entwicklung einiger Gebiete und der Rückständigkeit anderer Gebiete. In der Regel sind die Gebiete mit Exodus (mit einer negativen Migrationsbilanz) die rückständigen in ihrer Entwicklung.

Da es immer in der Lage einer Kolonie und unter schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Begebenheiten stand, hatte Kosova eine Bevölkerung, die mit folgenden Merkmalen hervorsticht: die höchste Geburtenrate in Europa; das jüngste Durchschnittsalter; der größte Prozentsatz erhaltener Bevölkerung; der größte Prozentsatz bäuerlicher Bevölkerung in Jugoslawien; der größten Prozentsatz an Analphabeten in der Bevölkerung; der kleinste Prozentsatz urbaner Bevölkerung; die größte Bevölkerungsdichte in Jugoslawien; das niedrigste Nationaleinkommen; die niedrigste Beschäftigungsrate; das niedrigste Niveau der Industrialisierung; der niedrigste medizinische Standard und der niedrigste Lebensstandard – und heute über 22% der Bevölkerung im Ausland. Laut jugoslawischen Statistiken war die Zahl albanischer Gastarbeiter im Ausland in der Zeitspanne zwischen 1965 und 1990 im Verhältnis zu der Zahl albanischer Beschäftigten im staatlichen Sektor in Kosova die höchste in Jugoslawien. Aus der Volkszählung von 1981 ergibt sich, daß es eine Auswanderung von 86,4% der Bezirke in Kosova gab, d.h. zu 79,9% des Territoriums und zu 71,1% der Bevölkerung.7 Laut Angaben der Volkszählung von demselben Jahr waren 29.434 Personen aus Kosova im Ausland beschäftigt, während es vom gesamten Gebiet Jugoslawiens – 63.271 Albaner waren. Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, daß die Statistik üblicherweise nicht die umfassende Zahl darstellt, denn der Löwenanteil wanderte, ohne dies dem Arbeitsamt bekannt gemacht zu haben, zumeist als illegale und Saisonarbeiter in die Tourismusbranche und andere Gewerbe aus. Abgesehen von diesen "durchforscht" eine große Anzahl von immer noch nicht Angemeldeten aus Kosova, Mazedonien und Montenegro den Arbeitsmarkt in allen Zentren Jugoslawiens einschließlich der Küstenregion. Hervorzuheben ist besonders die große Auswanderung von Albanern aus Montenegro nach Übersee, insbesondere die tragische Route über den mexikanischen Kanal.

Eine neue Etappe (und ein Kapitel für sich) des Exodus der Albaner aus Jugoslawien und insbesondere aus Kosova, stellt das Jahrzehnt des großen Duldens 1981–1991 dar. In dieser Zeitspanne gibt es de facto keine zivile Regierung, keine Gesetze und keine Verfassung. Es herrscht nur das totalitäre serbische Polizei– und Militärregime, das während der obengenannten Periode über 1/3 der gesamten albanischen Bevölkerung Kosovas mißhandelte (700.000 Personen waren in polizeilicher Behandlung und haben eine Polizeiakte), tötete (davon 54 beim Wehrdienst), unzählige politische Schauprozesse anzettelte, über 150 Personen schwer folterte und Tausende einkerkerte. Seither beginnt einer der größten Exodusse in Europa vergleichbar mit denen der Kurden, Tamilen und anderen Flüchtlingen aus Diktaturen in Spanien, Portugal, Chile, El Salvador und Guatemala.

Heute gibt es keine Statistiken mehr, und die genaue Zahl der Ausgewanderten und Vertriebenen aus Kosova ist schwer zu bestimmen. Es ist unmöglich, alle Busse und andere Transportmittel aufzuschreiben, die die albanischen Jugendlichen in ihrer unfreiwilligen Auswanderung Richtung Westeuropa befördern. Schon 1991 veröffentlichte die deutsche Gesellschaft für Bedrohte Völker Angaben, daß allein in den letzten 15 Jahren über 250.000 Albaner Kosova verlassen haben, wogegen sich diese Zahl bis heute verdoppelt haben könnte.

Einige Veränderungen in der wirtschaftlichen Struktur der Bevölkerung und der Arbeitslosigkeit
Abgesehen von der sehr niedrigen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bildungspolitischen und Gesundheitsversorgungsbasis, die Kosova von der Vorkriegszeit erbte, startete die Bevölkerung Kosovas den "Aufbau des Sozialismus" mit einer durchaus mißlichen volkswirtschaftlichen Struktur, mit einer sehr niedrigen Beschäftigungsquote und mit einer enorm ungünstigen Teilnahme ausgebildeter Fachkräfte und Arbeiter an der volkswirtschaftlichen Struktur. Der beharrliche Sog der Vergangenheit hinterließ tiefe Spuren und äußerte sich noch mehrere Jahre nach der sogenannten "Befreiung". Kosovas Bevölkerung hatte im Vergleich zu anderen Regionen Ex-Jugoslawiens die niedrigste Teilnahme an der aktiven Bevölkerung, d.h. die Kosovaren hatten die kleinste Anzahl der an der Wirtschaft teilnehmenden Leute.9 Das Kontingent der aktiven Bevölkerung in Kosova fällt bei jeder neuen Volkszählung und vergrößert ständig die Disproportion zwischen dem Kontingent der Bevölkerung in der Beschäftigungsperiode und dem Kontingent der aktiven Bevölkerung,10 man notiert sogar einen Fall von 35,3% im Jahre 1948 und 23,8% im Jahre 1981.

Einige Veränderungen in der wirtschaftlichen Struktur
der Bevölkerung
Jahr
Teilnahme der aktiven Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung
Teilnahme der
Landbevölkerung an Der Gesamtbevölkerung
Teilnahme der urbanen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung
1948
35,3
80,9
--
1961
34,8
64,2
19,5
1971
26,0
51,5
26,9
1981
23,8
24,6*
32,5

Quelle: Largimi me dhunë i punëtorëve në Kosovë – pasojat ekonomike e sociale [Zwangsentlassungen der Arbeiter in Kosova – ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen], IE, Prishtinë 1993. S. 13 (nach VSJ, 1991, S. 445). * Der notierte Fall ist unreell wegen der methodologischen Veränderung bei der Volkszählung ländlicher Bevölkerung im Jahre 1981.

 

Ausgangsbedingung für die Errechnung der Proportion der aktiven Bevölkerung ist bekanntlich die Altersstruktur. Ihr Einfluß ist auf Anhieb sichtbar: Die hohe Geburtenrate und der Wachstum neuer Generationen verringerte den Prozentsatz aktiver Personen in Kosova. Dazu machten die unzureichende Emanzipation und Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt (insbesondere in ländlichen Gegenden), die große Zahl der Studenten und Schüler sowie die unpassende Entwicklungspolitik, die Lage nur noch schwieriger.11 Schwierige und nachteilige wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie die veraltete Agrarstruktur verursachten, daß die Bevölkerung Kosovas im Vergleich zu anderen Regionen des ehemaligen Jugoslawien eine weit langsamere Veränderung in den einzelnen Wirtschaftssektoren aufweist. Dies ist auch aus der folgenden Tabelle ersichtlich.

Wirtschaftlich aktive Bevölkerung Kosovas in den Tätigkeitssektoren (in %)
Jahr
1953
1961
1971
1981
1. Primärer Sektor
78,6
74,5
58,8
30,4
2. Sekundärer Sektor
12,6
15,5
23,9
38,2
3. Tertiärer Sektor
8,8
10,3
17,3
31,4

Quelle: Largimi me dhunë i punëtorëve në Kosovë – pasojat ekonomike e sociale [Zwangsentlassung der Arbeiter in Kosova – ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen], IE, Prishtinë 1993. S. 14 (nach VSJ, 1991, S. 445).

 

Wie daraus hervorgeht, absorbierte der primäre Sektor bis in die 70er Jahre den Löwenanteil der Bevölkerung, während in den 80er Jahren das Übergewicht in Richtung sekundären und tertiären Sektor überlagert wird.12 Mit anderen Worten: Kosova war bis in die 80er Jahre eine rückständige (typische) Agrarregion.

Die hohe Arbeitslosenrate war nur eines von den vielen Elementen, die das wirtschaftliche und soziale Leben in Kosova bestimmten und ihm den Charakter einer schlechthin rückständigen Region gaben.13 So waren in Kosova 1948 insgesamt 28.000 Personen beschäftigt, 1953 etwa 38.000, während sich in der Zeitspanne 1953–1976 die Anzahl der Beschäftigten um 26.000 vergrößerte, d.h. um 3,8 mal bzw. mit einer Quote von 5,9 % jährlich. Nach Mazedonien war das die größte Steigungsquote im ehemaligen Jugoslawien.14 1980 dehnt sich die Gesamtzahl der Beschäftigten auf 177.614 aus, 1987 auf 237.566.15 Obwohl das Wachstum für die Umstände in Kosova beträchtlich ist, zeigt die jugoslawische Statistik hohe Mißverhältnisse im Bereich der Beschäftigung. Es ist daraus ersichtlich, daß manche Industriezentren in Serbien, Kroatien, Slowenien oder Mazedonien ein gleich großes Wachstum der Beschäftigtenzahl wie Kosova hatten (ganz zu schweigen von dem der Hauptstädte der einzelnen Republiken – Belgrad, Zagreb, Ljubljana, Sarajewo, oder Skopje). Es ist zu unterstreichen, daß Kosova 1952 47 Beschäftigte unter 1.000 Einwohner hatte; 1970 wuchs die Anzahl auf 77, 1976 auf 101, 1980 auf 114, während 1987 die Anzahl der Beschäftigten unter 1.000 Einwohnern auf 126 wuchs.16

Gemäß den statistischen Angaben verzeichnete die Beschäftigungsquote, als eine der wichtigsten Indikatoren der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung im Vergleich zum jugoslawischen Durchschnitt und in bezug auf die Anzahl der Beschäftigten unter 1.000 Einwohner, einen permanenten Fall. Während 1952 Kosova mit 46,4 % in Jugoslawien teilnahm, fiel 1972 die Teilnahme auf 43,3 %, und 1988 auf 42,5 %.17 Für Kosova wäre auch eine Übersicht über die nationale Zugehörigkeit der Beschäftigten relevant, denn dadurch würde die soziale und wirtschaftliche Lage der betreffenden Nation am besten sichtbar. Als Ergebnis einer Politik der Nichtgleichberechtigung in der Wirtschaft und der Politik der nationalen Nichtgleichberechtigung, hatten die Albaner in Kosova, obzwar sie stets die absolute Mehrheit ausmachten, dauernd niedrigere Beschäftigungsquoten in bezug auf ihre Gesamtzahl. Nichtgleichberechtigung in der Beschäftigung war eine Charakteristik und eine Konstante der Politik in Kosova. Selbst 1988 beteiligten sich die Albaner an der Gesamtzahl der Beschäftigten mit nur 69,3 %, obwohl sie über 90 % der Bevölkerung in Kosova ausmachten. In diesem Jahr war in Kosova jeder zwölfte Albaner beschäftigt, jeder vierte Serbe und jeder dritte Montenegriner.18 Andererseits wuchs die Arbeitslosigkeit in Kosova ständig. Während die Arbeitslosenquote 1960 zwischen 13–15% lag, erhöhte sie sich 1970 auf 20 %, und 1989 betrug sie 36,4 %. Die nationale Struktur der Personen, die in Kosova 1986 eine Arbeit suchten, bestand aus: 80,4 % Albanern, 12,6 % Serben und 1,2 % Montenegrinern.

Hervorzuheben wäre, daß in allen Perioden der Nachkriegszeit die Zahl der Arbeitslosen in Kosova ständig stieg, darunter 70 % unter 30 Jahre, während in den letzten Jahren 65 % von ihnen ausgebildete Fachkräfte ausmachen. Ergänzend wäre noch zu sagen, daß die Zahl der Arbeitslosen viel höher ist als es die offiziellen Statistiken zeigen, denn viele Arbeitslose, insbesondere Frauen auf dem Lande, wurden von den Arbeitsämtern als solche nicht verzeichnet. Davon ist ersichtlich, daß der Grad der Verwendbarkeit der aktiven Bevölkerung sehr niedrig ist – stets die niedrigste in Ex-Jugoslawien. Die Ergebnisse der Volkszählung von 1981 eine fallende Tendenz des Verwendbarkeitkoeffizientes (Ed) der heimischen Arbeitskraft. Ein solcher Trend ist im ungeraden Verhältnis mit dem Grad der wirtschaftlichen Entwicklung. Nach diesen Angaben (1981) war jeder fünfte aktive Einwohner Kosovas nicht im Inland beschäftigt, um so mehr verzeichnete die Nutzung der weiblichen Arbeitskraft, verglichen mit 1971, einen absoluten Fall der Anzahl im Inland beschäftigter aktiver Frauen.19

Kosova hatte am Anfang der 90er Jahre über 1.000.000 Arbeitskräfte. Arbeitslose Jugendliche Kosovas suchten Arbeit in Zentren entwickelter Regionen des ehemaligen Jugoslawien einschließlich der Küste, in der Hoffnung, zumindest einen vorübergehenden Job zu finden. Die genaue Zahl derer konnte selbstverständlich nicht erfaßt werden. Der Zug „Akropolis" alleine befördert jede Nacht Hunderte von albanischen Jugendlichen in den Norden und ins Ausland.


Fußnoten

1 Vinski, Ivo. Regionalna distribucija nacionalnog bogatstva Jugoslavije – problemi regionalnog razvoja. In Zbornik Radova, KB. Beograd, 1962.

2 Perlman, Fredy, Uslovi razvoja privredno zaostalog podruèja s posebnim osvrtom na Kosovu i Metohiju, Dissertation, ZOE, Prishtina, 1967.

3 Jugoslavija 1945–1985, Statistièki podaci, SZS, Belgrad 1986.

* das Wort kommt aus dem albanischen "shqiptar", das eine Selbstbezeichnung (Endonym) ist und bedeutet Albaner. Die übliche Konnotation im Serbokroatischen ist Pejorativ. (Anm. d. Übers.)

4 siehe ausführlicher: Blaku, Rifat. Shkaqet e ekzodit shqiptar, shpërngulja e shqiptarëve ndër shekuj. Prishtina 1992. S. 202.

5 Laloviæ, M. et alii. Metodi demografske analize migracije [Demographische Methoden zur Migrationsanalyse], CDI, IDN, Belgrad, 1975.

6 Friganoviæ, M., Emigracije i imigracijski prostori kao funkcija društveno–ekonomske aktivnosti. Pregled, Sarajevo. 1981. S.1231.

7 Friganoviæ, M., Emigracije i imigracijski prostori kao funkcija društveno–ekonomske aktivnosti. Pregled, Sarajevo. 1981. S.1227–1249.

8 Siehe ausführlicher Blaku, R., Baraz me Kilin dhe El Salvadorin, shpërngulja e shqiptarëve gjatë shekujve, Prishtina, 1992, S. 203.

9 Islami, H., Popullsia e Kosovës [Bevölkerung Kosovas], Prishtina, 1980, S. 70.

10 Largimi me dhunë i punëtorëve në Kosovë – pasojat ekonomike e sociale, IE, Prishtina, 1993. S. 13.

11 Siehe ausführlicher Blaku, R., Aspekti demogjeografik i zhvillimit të Kosovës pas luftës [Der demogeographische Aspekt der Entwicklung Kosovas nach dem Krieg], Zagreb. 1980. S. 56.

12 Largimi me dhunë i punëtorëve në Kosovë – pasojat ekonomike e sociale, IE, Prishtina, 1993. S. 14.

13 Siehe ausführlicher Blaku, R., Punësimi si tregues i zhvillimit dhe i barazisë kombëtare [Beschäftigung als Zeiger der Entwicklung und der nationalen Gleichheit], in Përparimi, Nr. 3, Prishtina 1988, S. 315.

14 Ebenda. S. 315.

15 VSK, SKS, Prishtina, 1989, S. 36.

16 VSK, SKS, Prishtina, 1989, S. 36.

17 Largimi me dhunë i punëtorëve në Kosovë – pasojat ekonomike e sociale, IE, Prishtina, 1993. S. 22–23.

18 Ebenda, S. 23.

19 Stanovništvo i domaæinstva SR Srbije – prema popisu 1981, RZS, Belgrad, 1984, S. 145–146.

 

 

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